Neurodaten für Wohlfahrtsentscheidungen: Ein kritischer Rahmen für die Politik
Neuroökonomie verspricht, Wohlfahrtsanalysen mit neuronalen und rechnerischen Belegen zu untermauern, indem sie zeigen, wie Menschen Werte wahrnehmen, aus Erfahrungen lernen und Selbstkontrolle ausüben. Gleichzeitig greifen politische und kommerzielle Akteure vermehrt auf Gehirndaten zurück, um paternalistische Regelungen, „brain‑based“ Interventionen und neue Wohlfahrtsmaße zu legitimieren.
In diesem Beitrag wird untersucht, unter welchen Bedingungen neuronale Daten tatsächlich Wohlfahrtsentscheidungen in der Politik beeinflussen dürfen, anstatt lediglich Verhalten zu beschreiben. Der Autor entwickelt ein nicht‑empirisches, modellbasiertes Rahmenwerk, das drei Ebenen verbindet: neuronale Signale, rechnerische Entscheidungsmodelle und normative Wohlfahrtskriterien. Durch ein actor‑critic‑Reinforcement‑Learning‑Modell wird der Weg von Gehirnaktivität zu latenten Werten, Vorhersagefehlern und schließlich zu Wohlfahrtsbehauptungen formalisiert.
Die Analyse zeigt, dass neuronale Evidenz nur dann Wohlfahrtsurteile begrenzt, wenn die neuronale‑computationale Zuordnung gut validiert ist, das Entscheidungsmodell wahre Interessen von kontextabhängigen Fehlern unterscheidet und das Wohlfahrtskriterium explizit definiert und verteidigt wird. Anhand von Beispielen aus Sucht, Neuromarketing und Umweltpolitik wird ein Neuroökonomisches Wohlfahrts‑Inference‑Checklist für Regulierer und Designer von Neuro‑KI‑Systemen abgeleitet.
Der Artikel betont, dass Gehirne und künstliche Agenten als Lernsysteme für Werte betrachtet werden sollten. Interne Belohnungssignale – sei es biologisch oder künstlich – sind rein rechnerische Größen und können ohne ein explizites normatives Modell nicht als Wohlfahrtsmaß fungieren.